Sichtwechsel durch Schichtwechsel – Projekt schafft bereichernde Begegungen

Lebenshilfe; Projekt; Arbeit; Stadt; Dillenburg; SchichtwechselKumpels von Beginn an: Erkin Cuvalli von den Stadtwerken arbeitet gemeinsam mit Matthias Bernhardt im Montagebereich. (Foto: Schneider)

Stirnrunzelnd blickte Daniel Groth auf die Spule. Kabelsalat. „Das ist gar nicht so einfach“, merkte der Leiter der Dillenburger Schlossberganlagen an. „Das kann auch nicht jeder“, entgegnete Stefan Benner, Beschäftigter der Dillenburger Werkstätten, und klopfte ihm tröstend auf die Schulter. „Bin ich jetzt durchgefallen?“  – „Bei der Lebenshilfe fällt man nicht durch, die hat viel Geduld. Da musst du dir keine Sorgen machen.“

Groth und Benner sind zwei Arbeitstage lang Kollegen. Im „Schichtwechsel“. So heißt das Projekt der Lebenshilfe Dillenburg, das jetzt seinen Auftakt hatte – mit bereichernden Begegnungen. Die Idee: Menschen mit und ohne Behinderungen lernen jeweils die Arbeitswelten des anderen kennen.  Inspiriert wurde die Lebenshilfe dabei von 17 Berliner Werkstätten, die dieses Projekt ins Leben gerufen haben. Partner der Dillenburger Variante sind neben der Stadt auch das Edelstahlunternehmen Outokumpu Nirosta GmbH. „Wenn der Schichtwechsel gut anläuft, können wir uns vorstellen, dass dies keine einmalige Geschichte bleibt“, teilte Conny Schneider, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe, mit. „Denn uns ist es wichtig, dass dieses Projekt ein Gewinn für alle Beteiligten ist und beide Seiten vom Blick über den Tellerrand profitieren.“

Lebenshilfe; Werkstätten; Stadt; Dillenburg; Arbeit; Schichtwechsel
Lejla Sabanovic und Roland Matuschka ergänzen sich bestens. (Foto: Schneider)

Ein kurzes Beschnuppern, spontane Sympathie – so wie es  Groth und Benner in der Werkstatt Oberscheld erlebten, erging es auch den beiden Schichtwechsel-Duos in der Werkstatt Dillenburg. Roland Matuschka von der Poststelle der Stadt begleitete Lejla Sabanovic in den Berufsbildungsbereich der Werkstatt, Erkin Cuvalli von den Stadtwerken und zuständig für die Hochbehälterreinigung arbeitete gemeinsam mit Matthias Bernhardt im Montagebereich. Wie zufrieden Matthias Bernhardt mit der Auswahl seines Partners war? „Richtig gut!“, sagte er und streckte den Daumen in die Höhe. „Matthias und ich – das passt super“, bestätigte Cuvalli. „Langweilig wird mir hier auf keinen Fall.“ Auch Matuschka und Sabanovic harmonierten von Anfang an. Sabanovic wies ihren Partner in die Baugruppenmontage von Terrassenlagern ein. „Ist das richtig so?“, vergewisserte sich Matuschka mehrfach. Ein prüfender Blick, ein letztes Drehen. „Ja, ist gut so.“

Menschen mit Behinderungen als motivierte und fähige Experten ihres Arbeitsbereichs – ein wertvoller Aspekt des Schichtwechsels. Ebenso wie die Erfahrung, dass „unsere Arbeit echt ist“, wie Lars Lückoff, Einrichtungsleiter der Werkstatt Dillenburg, betonte. Die Besucher zeigten sich überrascht von der Fertigungstiefe und der industriellen Vielfalt innerhalb der Werkstätten. „In der Gesellschaft herrscht wirklich ein falsches Bild von der Arbeit hier“, sagte Cuvalli abschließend. „Darum war ich auch so neugierig darauf, an dem Projekt teilzunehmen. Und ich freu mich jetzt schon auf morgen.“

Lebenshilfe; Werkstätten; Arbeit; Projekt; Schichtwechsel; Dillenburg
Im Wilhelmsturm versprühen Daniel Groth und Stefan Benner gute Laune. (Foto: Graser/Stadt Dillenburg)

Auf morgen, den Tag des Gegenbesuchs: Benner suchte seinen Schichtwechsel-Partner Groth im Wilhelmsturm auf. Und fühlte sich von Beginn an pudelwohl. „Den Wilhelmsturm habe ich schon oft besucht, hier kenne ich mich aus“, sagte er, während er die Eintrittskarten für den Tag vorbereitete. Zuvor hatten die beiden schon einen Raum in der Villa Grün für die standesamtlichen Trauungen des Tages vorbereitet. „Wir zwei sind ein Super-Team“, so Benner.

Währenddessen reinigten Bernhardt und Cuvalli den städtischen Hochbehälter im Dillfeld. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die Sicherung der hohen Trinkwasserqualität in Dillenburg stand dabei an erster Stelle. Motiviert gingen beide ans Werk, tauschten Filtermatten aus, beseitigten kleine Schadstellen und brachten alles auf Hochglanz. In der Poststelle des Rathauses unterstützten sich derweil Sabanovic und Matuschka gegenseitig beim Abholen, Sortieren und Verteilen der Briefe und Päckchen. „Lejla macht das schon sehr gut“, betonte Matuschka. „Wenn sie einmal weiß, wie eine Aufgabe zu erledigen ist, läuft das prima.“

Die „Schichtwechsel“-Aktion geht noch weiter bis zum Jahresende. Insgesamt beteiligen sich sieben Mitarbeiter der Oranienstadt und acht Mitarbeiter von Outokumpu an diesem Projekt.