„Hör mir bitte zu!“ – Sprache per Tastendruck

Eric Märte hat sichtlich Spaß mit seiner Betreuerin Heidrun Becker an der Nutzung des Talkers. (Foto Schneider)

„Gestern war ich beim Arzt“, erzählt Eric Märte. „Dort habe ich Blut abgenommen bekommen.“ Während er das sagt, bewegt er seine Lippen nicht. Sprechen kann der 24-Jährige nämlich nicht. Dafür lässt er sprechen – mittels eines Talkers.

Wer Eric zum ersten Mal begegnet, ist irritiert. Von der Statur her ist er ein Mann. Groß gewachsen, kräftig. Dies steht in Kontrast zu seiner geistigen und emotionalen Entwicklung. „In der Hinsicht ist Eric auf dem Stand eines kleinen Kindes“, erklärt Heidrun Becker, die den jungen Mann in der Tagesförderstätte der Lebenshilfe Dillenburg betreut. Aufgabe der Tagesförderstätte ist es, einem schwerst- oder mehrfachbehinderten Personenkreis in einem sicheren Umfeld möglichst viel Selbstständigkeit und Teilhabe zu ermöglichen.

Eric kommuniziert gern. Auf seine Art. So kommentiert er etwa die Abfahrt der Fahrstühle in der Einrichtung mit einem verzückten „Hooooooo!“. Bedeutet: Der Aufzug fährt hoch. Auch imitiert er mit Freude Martinshörner. Doch das allein ermöglicht ihm noch keine Kommunikation: Wünsche zu formulieren. Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Erlebtes zu erzählen. Dabei versteht Eric recht gut, was andere zu ihm sagen. Nur antworten kann er nicht. Zumindest nicht so, dass sein Gegenüber ihn verstehen kann.

 

Die „Feuerwehr“-Taste hat es Eric angetan.

 

Dies soll ihm nun ein sogenannter Talker ermöglichen: ein Sprachcomputer, der auf Tastendruck reagiert. Eric wählt ein Symbol an, das elektronische Hilfsmittel wandelt es um in Lautsprache. Hinter den Tasten verbergen sich sowohl ein bereits vorgegebener Wortschatz mit Begriffen aus dem Alltagsgebrauch als auch von Erics Betreuern eingesprochene und aufgezeichnete Sätze.

 

„Unsere Betreuten erleben Selbstständigkeit, und das steigert ihre Lebensqualität.“

 

In regelmäßigen Abständen versucht sich Eric an dem Talker. Ein Prozess, der sich nicht von jetzt auf gleich umsetzen lässt, sondern vor allem eins braucht: Geduld. „Bevor wir einen solchen Talker anschaffen, üben wir zunächst einmal mit Bildkarten“, erklärt Dunja Goßmann, Leiterin der Tagesförderstätte. „Das kann teilweise Jahre dauern, bis unsere Betreuten darauf Reaktionen zeigen. Daher gehen wir  Schritt für Schritt vor.“

 

Vier Talker sind derzeit in den Tagesförderstätten der Lebenshilfe Dillenburg im Einsatz. Die Kosten für die Anschaffung solcher Kommunikationshilfen können von der Krankenkasse getragen werden. Die Nutzung fällt unter den Oberbegriff „Unterstützte Kommunikation“, der pädagogische, therapeutische und technische Hilfen zur Teilhabe zusammenfasst. In ihrer Handhabung sind die technischen Kommunikationshilfen sehr verschieden: So gibt es tabletähnliche Exemplare wie den Talker, den Eric nutzt. Diese sind in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich – zum Beispiel wie in Erics Fall über Tastendruck oder aber auch über Augensteuerung bei motorischen Einschränkungen. Anders aufgebaut sind dagegen sogenannte Taster: farbige  Knöpfe, die an Buzzer erinnern und Sprache, Musik und Geräusche wiedergeben. „Es ist schön zu sehen, welche Erfolgserlebnisse diese Hilfsmittel mit sich bringen“, sagt Goßmann. „Unsere Betreuten erleben Selbstständigkeit, und das steigert ihre Lebensqualität.“

 

Bis sich für Eric der Talker als große Hilfe erweist, sind noch viele Übungen und Wiederholungen nötig. Und doch sind es jetzt schon die kleinen Momente, die zeigen, was möglich ist: Ein Tastendruck von ihm, und die Stimme ertönt: „Hör mir bitte zu!“ Sein Gegenüber wendet sich ihm prompt zu. Eric lächelt zufrieden.